Vibrissen/ Tasthaare

 
Das unterschätzte Sinnesorgan
Sie werden umgangssprachlich oft als Barthaare bezeichnet und mit denen der Menschen gleichgesetzt.
Bei manchen Hunderassen werden sie bei der Schur oft sogar einfach abrasiert. Aber Vibrissen sind keine Barthaare, sondern ein hochsensibles Tastorgan. Das Abschneiden kommt der zeitweisen Amputation eines Sinnesorgans gleich. Ähnlich beim Gendefekt eines Nackthundes oder einer Nacktkatze.
 
Hast du jemals darüber nachgedacht, warum sich dein Hund oder deine Katze nur extrem selten im Gesicht verletzt? Und das obwohl sie mit dem Kopf voran und die Nase immer am Boden durch das dichte Unterholz manövrieren, häufig in hohem Tempo.
 
Vibrissen arbeiten wie hochsensible Antennen, die zuverlässig vor Verletzungsquellen warnen, sodass ausgewichen werden kann und der Katze dienen sie bei der Jagd auf Mäuse als wichtiges Jagd-Tool.
Durch die Luftbewegungen kann sie genau ausmachen, wo und wohin sich etwas bewegt. Außerdem erspüren sie mit den „feinen Antennen“ das pulsierende Blut der Maus, um die ideale Stelle für den tödlichen Biss zu finden und merken sofort, ob ihre Beute im Maul noch lebendig ist.
 
Ein Sinnesorgan, das uns Menschen fehlt.
Diese Tasthaare unterscheiden sich im Aufbau vom Haarkleid der restlichen Körperbehaarung. Sie sind länger, dicker, steifer und leicht als solche erkennbar. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch unter der Haut: jede Vibrisse ist in der Tiefe der Haut mit einem speziellen Haarfollikel verankert. Dieser Follikel ist umgeben von einer gut durchbluteten Kapsel (Blutsinus) und von einem Netz aus Nerven, die frei in diesem Blutsinus enden.
Diese Nerven reagieren sehr empfindlich auf Berührung und Vibrationen. Ihre Aufgabe besteht darin, mechanische Reize in Nervenimpulse zu übersetzen und zur Auswertung an das Gehirn weiterzuleiten.
Jede einzelne Vibrisse im Bereich der Schnauze wird einem eigenen kleinen Areal des somatosensorischen Kortex präsentiert. Das heißt, dass jede Vibrisse dem Gehirn persönlich bekannt ist und es unterscheiden kann, welches Signal von welcher Vibrisse kommt. 
Je nach Bedarf können Vibrissen unterschiedlich ausgerichtet werden. Dies geschieht über Muskeln, die der Skelettmuskulatur gleichen (quergestreifte Muskulatur) und am Blutsinus ansetzen. Auch Körperhaare haben eine Beweglichkeit, z.B. zur Thermoregulation. Diese ist jedoch Teil der glatten Muskulatur, wie sie auch die Hohlorgane auskleidet und nicht willentlich steuerbar.
Nager können die einzelnen Tasthaare sogar unabhängig voneinander rhythmisch bewegen und erhöhen beim Abtasten von Gegenständen die Frequenz.
 
Die Vibrissen selbst haben keine Nerven, sodass es dem Tier keine Schmerzen bereitet diese abzuschneiden.
Allerdings kommt es durch die Kürzung zu einer Veränderung der Biegsamkeit und damit zu einer veränderten Hebelwirkung, die wiederum zu anderen Druckverhältnissen im Blutsinus führt. Es verändert sich also die Art, wie der Reiz übermittelt wird und kann damit z.B. zu Beeinträchtigungen bei dem Abschätzen von Abständen kommen – das Tier stößt sich oft oder läuft z.B. gegen Stühle. Beim Erkunden ihrer Umgebung können Katzen mit den Schnurrhaaren zudem einschätzen, ob eine schmale Öffnung oder ein Spalt groß genug für sie ist. Die kleinen Räuber verlassen sich also nicht immer nur auf ihre hervorragenden Augen.
 
Die Funktionen
 
Tastorgan: 

·       Orientierung im Raum im Dunkeln 
·       Betasten der Nahrung 
·       Oberflächendifferenzierung 
·       Hilfe beim Schwimmen für die richtige Kopfhaltung 
 

Schutzfunktion:
·       Berührung der Vibrissen über den Augen löst den Lidschlussreflex aus
·       Schutz vor Verletzungen beim Durchstreifen von Gestrüpp
·       Spurverfolgung – Wahrung des Abstandes zum Boden 
 
Unterstützung des Geruchssinns:
·       Reizung der Vibrissen dient auch der Feststellung der Windrichtung – 
        Geruchswahrnehmung
·       Einschätzung des Alters und der Intensität einer Geruchsspur 
 
Kommunikation:
·       Tragen zur Mimik bei
·       Bei Erregung werden sie nach vorn gestellt
·       Bei Entspannung und Unterwerfung angelegt